Ehrlichkeit ist wichtig. Darüber sind wir uns bestimmt alle einig.
Wir wollen uns aufeinander verlassen können und uns vertrauen.
Kann das funktionieren, wenn wir unehrlich zueinander sind?
Studienergebnisse darüber, wie oft ein Mensch am Tag die Unwahrheit sagt, gehen sehr weit auseinander. Einmal heißt es, der Mensch lügt zweihundert Mal am Tag und an anderer Stelle ist von zwei Lügen pro Tag und Person die Rede.
Ob ein Mensch viel oder wenig schwindelt, hängt ganz von der Situation ab, in der er sich befindet. Eines ist jedenfalls unstrittig: Jeder hat schon mal gelogen und wird es in Zukunft auch wieder tun.
Wem der Begriff „Lügen“ zu hart erscheint, der wird zugeben müssen, dass auch er von Zeit
zu Zeit mit der Wahrheit „etwas kreativer“ umgeht.
Die Menschen wollen nicht belogen werden, obwohl sie es selbst mit der Wahrheit nicht immer so genau nehmen. Flunkern wird als eine Art Klebstoff benutzt, mit dem das soziale Gefüge zusammengehalten werden soll.
Und – es ist kaum zu glauben – es funktioniert – aller Moral zum Trotz.
Es wird geschwindelt was das Zeug hält. Vor allem, um jemandem zu gefallen oder zu beeindrucken. Bei einem Vorstellungsgespräch für einen neuen Job, wachsen die Chancen, wenn der Bewerber etwas dicker aufträgt. Beim ersten Date läuft die Produktion der Hormone auf Hochtouren, da werden die besten Seiten auf Hochglanz poliert, ausgeschmückt und präsentiert. Nach einem Urlaub, werden die Erlebnisse, in geschönter Version, den Kollegen berichtet.
„Mir geht es gut“, ist die Nummer eins unter den Lügen.
Aber warum tut man das?
Die Antwort liegt auf der Hand. Wer z.B. einen schönen, unterhaltsamen Abend verbringen will, der möchte nicht an seine Sorgen zu Hause oder an den Ärger im Büro erinnert werden. Der will umschalten und Angenehmes erleben, sonst eigentlich nichts.
Und wer will jederzeit wissen, wie es einem anderen wirklich geht?
Es wird auch gelogen, um sich Lästiges von der Backe zu halten oder um Zeit zu schinden: „Gute Idee, sollten wir unbedingt ins Auge fassen.“ - „Tut mir leid, aber genau da habe ich schon etwas vor – wie schade.“ „Sobald ich dazu komme, werde ich ...“ „Da sollten wir unbedingt mal drüber sprechen.“ „Im Moment habe ich wirklich sehr viel zu tun - vielleicht ein anderes Mal.“
Auch dann, wenn es darum geht, eine unangenehme Situation zu entspannen, wird geschwindelt: „Ist nicht so schlimm, den Fleck auf dem Teppich kriege ich schon wieder raus, mach Dir keine Sorgen.“ „Die Vase hat mir sowieso nicht gefallen, jetzt ist das Problem gelöst.“ „Mmmmh – lecker – Du hast wirklich toll gekocht, ich habe aber leider nicht viel Appetit.“
Selbstverständlich gehört auch das Vertuschen von Fehlern zu den Alltagslügen.
Hier wird sogar am häufigsten gelogen. Wie bei Baron Münchhausen und Pinocchio wird die Wahrheit verdreht, verändert und vertuscht.
Von dumm bis dreist werden die wildesten Geschichten aufgetischt.
Voller Komik und Tragödie.
Unangenehmes soll umschifft werden.
Scheinbar funktioniert das am besten, mit selektiver Wahrheit. Mit „Alltagslügen“ muss man wohl oder übel zurechtkommen. So ganz ohne flunkern scheint es wohl nicht zu gehen.
Und wenn man selbst angeschwindelt wurde?
Erst einmal tief ausatmen - dann schlucken und verdauen. Und vor allem sollte man sich die Stimmung nicht vermiesen lassen. Klärungsversuche bringen oft nichts. Nur sehr selten gibt jemand zu, gelogen zu haben. Die Erwischten reden sich um Kopf und Kragen und verstricken sich dabei immer mehr in ein Netz aus Halb- und Unwahrheiten.
Wer hin und wieder in unwichtigen Kleinigkeiten angeschwindelt wird, fährt am besten damit, dem keine allzu große Bedeutung beizumessen und wohlwollend darüber hinwegzusehen.
Wo die Toleranzgrenze im Lügen und angelogen werden, gezogen wird, kann nur jeder für sich selbst entscheiden.
Ehrlichkeit erfordert Mut und Einfühlungsvermögen.
Und dieses Zusammenspiel von Mut, Einfühlungsvermögen und Ehrlichkeit schafft Vertrauen und bringt auf lange Sicht mehr, als ein windschiefes Kartenhaus aus Schwindel und Trickserei, das jederzeit in sich zusammenbrechen kann.